Die Agentin

The Operative, Yuval Adler, DEU/FRA/ISR 2019 – „Mein Vater ist gestorben. Zum zweiten Mal.“ Mit diesen kryptischen Sätzen meldet sich Rachel (Diane Kruger) zu Beginn der deutsch-französisch-isrealischen Koproduktion Die Agentin telefonisch bei ihrem Verbindungsmann Thomas (Martin Freeman). Der reagiert zunächst verwirrt, denn – wie er bald darauf seinem Chef erklärt – Rachel hatte schon sehr lange keinen Kontakt mehr zu ihm. Seit die Geheimagentin abgetaucht ist, um genau zu sein. Von diesem Punkt an dreht Regisseur Yuval Adler die Zeit zurück, wechselt im Verlauf der kommenden 116 Minuten aber auch immer wieder in die Gegenwart, um Rachels Geschichte zu aufzudröseln. Die Struktur der Erzählung ist hier allerdings komplexer als ihr Inhalt.

Denn im Kern ist Die Agentin ein geradliniger Spionage-/Agenten-Thriller um eine Frau, deren Vergangenheit das Interesse des israelischen Geheimdienstes Mossad weckt: keine Verwandtschaft, keine Kinder, kein fester Wohnsitz, dafür ist Rachel multilingual begabt und unauffällig. Ideal also für einen Einsatz im Iran, wo sie die IT-Firma des Unternehmers Farhad (Cas Anvar) infiltrieren soll. Das gestaltet sich schwierig, denn die Gefahr, enttarnt zu werden, ist natürlich omnipräsent. Und dass Rachel allmählich Gefühle zum Objekt ihrer geheimdienstlichen Begierde entwickelt, macht die Sache auch nicht leichter.

Diane Kruger und Martin Freeman in „Die Agentin“. (c) Weltkino

Die Agentin kommt für einen zeitgenössischen Agenten-Film vergleichsweise bieder daher: Action und „Entertainment-Faktor“ liegen deutlich unter dem Niveau beispielsweise eines Mission: Impossible 6. Speziell nach den artverwandten Werken Red Sparrow und Atomic Blonde ist es jedoch eine sehr schöne Abwechslung, wieder eine Agentin auf der Leinwand zu erleben, die sich nicht mit Sex und/oder brutaler Gewalt aus gefährlichen Situationen befreien kann. Diesen Ansatz kann man als langweilig empfinden – genau so gut aber auch als angenehm bodenständig.

Dass dabei Momente mit einem durchaus beeindruckendem Maß an Suspense entstehen, ist fast schon selbstverständlich. Wenn Rachel eine Wanze platziert und dabei fast von dem Wachmann entdeckt wird, mit dem sie sich kurz zuvor angefreundet hat, oder wenn sie sich unter der Sitzbank eines Autos vor Sicherheitskräften versteckt, während sie in den Iran geschleust werden soll, dann ist das einfach verdammt spannend. Von solchen Szenen hätten es allerdings noch einige mehr sein können.

Den interessantesten Ansatz, den Die Agentin verfolgt, ist jedoch das Verhältnis von Rachels Job und ihrem Privatleben, in dem es irgendwann kaum noch Grenzen zwischen ihrer wahren und ihrer vorgespielten Identität gibt. Spionage und Liebesbeziehungen, so die Erkenntnis, ähneln sich in einer Hinsicht entscheidend: Beides ist mit einer nicht unwesentlichen Menge an Geheimhaltung und Anpassung verbunden, die die eigene Persönlichkeit nachhaltig verändert. Kruger spielt gut auf, vermittelt diese Entwicklung, diesen Kampf um die eigene Identität, auf ihre eigene, subtil-unspektakuläre Weise.

Dass Rachels Schicksal und Erfolg schlussendlich aber weniger von ihr selbst als vielmehr von den Männern in ihrem Umfeld abhängen, fühlt sich wie eine vertane Chance an. Und nicht zuletzt fehlen dem Film Szenen, die auch wirklich nachhaltig im Gedächtnis bleiben – dafür ist der Film einfach zu konventionell inszeniert. Wer allerdings mal wieder Lust auf einen klassischen, unaufgeregten Spionagestreifen ohne abgefahrene Technikspielereien und anderen Schnick-Schnack hat (und von denen gibt es ja nun wahrlich nicht mehr viele), sollte Yuval Adlers Film mehr als nur eine Chance geben.

Die Agentin startet am 29. August im Kino.

 

Bilder & Trailer: (c) Weltkino

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