Filme gesehen #145

Triple-L-Woche: Diesmal mit Das Leben des David Gale, Lion und Logan.

Das Leben des David Gale (The Life of David Gale, Alan Parker, USA/DEU 2003)
Wenn man Das Leben des David Gale eine zweifellose Qualität zusprechen muss, dann ist es das ethische Dilemma, das hier durchgekaut wird. Eine Journalistin darf den wegen Mordes zum Tode verurteilten David Gale (Kevin Spacey) wenige Tage vor seiner Exekution erstmals interviewen und entdeckt dabei – wie sollte es anders sein – dass nichts so ist, wie es scheint. Denn dass ausgerechnet einer der führenden Köpfe einer Initiative gegen die Todesstrafe genau dieser zum Opfer fallen wird, das schreit ja geradezu nach Verschwörung. Die große Frage ist nun: Darf man einen vermeintlich Unschuldigen sterben lassen, um die Todesstrafe abzuschaffen und damit Hunderte zu retten – oder rettet man doch eher den einzelnen? Klassisches Weichensteller-Dilemma halt. Das Leben des David Gale ist von allen Beteiligten toll gespielt und entfaltet eine enorme Spannung, verhaspelt sich am Ende jedoch in ein, zwei überflüssigen Twists und wirkt aufgrund des munteren Hin- und Herspringens zwischen zwei Zeitlinien auch recht fragmentarisch. Dennoch empfehlenswert.
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Lion – Der lange Weg nach Hause (Lion, Garth Davis, USA/AUS/UK 2016)
Der Stoff, aus dem die Oscars sind: Das Drama Lion war in diesem Jahr nicht grundlos für den Academy Award nominiert (auch wenn absehbar war, dass er keine Chance haben würde). Denn die Geschichte eines indischen Kindes, das in einen Zug steigt, am anderen Ende des Landes ankommt und sich 25 Jahre später aufmacht, seine Familie wieder zu finden, ist mustergültiges Oscar-Material. Die positive Überraschung: Lion nimmt sich eine geschlagene Stunde Zeit, um die Leidensgeschichte des Kindes zu erzählen und macht das auch verdammt gut. Auch wenn so ein Film nur eine vage Vorstellung von den wahren Zuständen, unter denen Waisenkinder in Indien leben müssen, vermitteln kann, so weiß diese erste Hälfte gleichermaßen zu beeindrucken und zu berühren. Dann kommt der Cut und Dev Patel, den ich eigentlich sehr schätze, darf eine geschlagene weitere Stunde vor sich hinleiden und seinem Herzschmerz in herrlich überzogenen, krampfhaft dramatischen Szenen Luft machen. Mit einschläfernder Zähigkeit quält die zweite Hälfte sowohl Protagonisten als auch Zuschauer, kommt dann aber immerhin noch zu einem ordentlich Abschluss. Trotzdem schade um die sehr gute erste Stunde.
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Logan – The Wolverine (Logan, James Mangold, USA 2017)
Ein letztes Mal wollte Hugh Jackman noch in seiner Paraderolle Wolverine auf die Leinwand, und dort mit einer berührenden und intimen Story die Geschichte des populärsten aller X-Men abschließen. Gelungen ist es ihm dies nur zum Teil. Zunächst mal kann man aber konstatieren, dass Logan der fraglos beste Film über den Mann mit den Adamantiumkrallen ist – und einer, der für einen Superheldenfilm stilistisch und inhaltlich angenehm unausgetretene Pfade beschreitet. Fast schon postapokalyptisch mutet Logan nämlich an, im Jahre 2028, hauptsächlich in der Wüste und in einer Zeit spielend, in der es nahezu keine Mutanten mehr gibt. Im Mittelpunkt steht die Vater-Vater-Tochter-Beziehung zwischen Professor X, Wolverine und einem Mädchen, das ihre Kräfte im Labor erlangt hat und nun deshalb auf der Flucht ist. Ein hoher Gewaltgrad und die toll inszenierte Action konnten aber nichts daran ändern, dass mich stellenweise gelangweilt fühlte, weil einfach viel zu wenig passierte. Eigentlich mag ich so etwas ja, doch auch emotional konnte mich Logan nicht packen, auch da die Figuren einfach nicht tief genug sind. Das mag anders sein, wenn man großer Fan der Vorlage ist – und diesen Fans sei jeder Spaß und jede Träne, die sie hier vergießen, auch vollstens gegönnt. Für mich kommt Logan aber nicht über ein „gut“ hinaus.
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8 Antworten zu „Filme gesehen #145”.

  1. Avatar von trallala
    trallala

    Also nach der emotionalen Achterbahn die ich bei Lion durchlebt hatte, musste ich noch auf dem Weg aus dem Kino meinem Bruder schreiben wie glücklich ich bin, dass er noch da ist 😉
    Aber Filme für die ich zu emotional bin bewerte ich sowieso immer besser, als sie objektiv verdienen. Mrs Doubtfire wäre auch so ein Beispiel bei mir.

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    1. Avatar von christianneffe

      Freu mich, dass er dich so berühren konnte. Ich hab das leider nach der ersten Hälfte komplett verloren und mich nur noch darüber aufgeregt, warum Dev Patels Figur plötzlich so eine Heulsuse ist und seine Freundin anschreit, obwohl sie ihn von Anfang an unterstützt hat… na ja.
      Ich bezweifle übrigens, dass es so etwas wie eine objektive Filmbewertung gibt 😉

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