Ich seh, ich seh

Veronika Franz/Severin Fiala, AUS 2014

Die politischen Ereignisse der vergangenen Wochen haben bewiesen, dass die Österreicher durchaus imstande sind, guten Horror zu produzieren. Insofern hätte Ich seh, ich seh von 2014 ein echtes Meisterwerk werden können, zumal die Prämisse ziemlich originell ist: Die neunjährigen Zwillinge Lukas und Ilias warten sehnlichst auf die Rückkehr ihrer Mutter nach einer Schönheitsoperation. Als die schließlich mit bandagiertem Gesicht zurückkehrt, scheint sie sich aber nicht nur äußerlich verändert zu haben. Ist das wirklich die Mami?, fragen sich beide Jungs. Aus dem leichten Unbehagen werden handfeste Zweifel, auf die alsbald schreckliche Taten folgen.

Was Ich seh, ich seh von den meisten Horrorfilmen unterscheidet, ist die bis kurz vor Schluss bestehende Unsicherheit darüber, wer hier nun das Monster und wer das Opfer ist. Leider war es das dann aber auch schon, denn ansonsten bedient der Film zahlreiche Genre-Klischees: verstörende Traumbilder und Visionen; eine farbarme, abgelegene Kulisse; tote Tiere und solche, die sich von anderen toten Tieren ernähren. Und ganz viel Symbolismus in Form von Masken und Symmetrie, die entweder absolut offensichtlich sind oder ins Nichts führen.

Ich seh, ich seh hätte ähnlich wie Der Babadook ein kluge und gleichsam schauderhafte Metapher werden können. Eine über den innerfamiliären Umgang mit traumatischen Ereignissen. Eine über die alles andere als selbstverständliche Bindung zwischen Eltern und Kindern, die immer wieder bestärkt werden muss, um nicht zu zerbrechen. Oder eine darüber, dass unser Äußeres untrennbar mit unserem Inneren verbunden ist. Am Ende jedoch werden diese Ansätze allesamt einem simplen, wenngleich schockierendem Finale geopfert. Schade drum, denn so versumpft Ich seh, ich seh im Mittelmaß.

imdb / Trailer

Bild: (c) Stadtkino Filmverleih

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9 Antworten zu „Ich seh, ich seh”.

  1. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Ich fand den an und für sich nicht schlecht… nur leider sehr vorhersehbar. Was mich dann irgendwie ziemlich gestört hatte.

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    1. Avatar von christianneffe

      Bei mir dasselbe: An und für sich nicht schlecht, aber dann inhaltlich doch etwas dünn und vorhersehbar. Kommt wohl wirklich drauf an, wie viel Erfahrung man in dem Genre hat

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  2. Avatar von filmlichter

    Na, so anderthalb Sternchen würde ich schon noch draufgeben. Ich bin zumindest gespannt auf The Lodge, vom selben Regie-Duo.

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    1. Avatar von christianneffe

      Schön zu hören, dass du mehr Freude dran hattest 🙂
      War leider über weite Strecken ziemlich gelangweilt. Was hat dir denn besser gefallen?

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      1. Avatar von filmlichter

        Kurz: ich fand das der Film den Rückzug in die Familie, durch die, im wahrsten Sinne des Wortes, verschwommene Zeichnung der anderen Dorfbewohner/Charaktere einfängt, die dann letztlich zur Katastrophe führt.

        Oder lang (inklusive Verbindung zu ‚Hotel‘): https://filmlichtung.wordpress.com/2016/03/13/gestern-gesehen-ich-seh-ich-seh-2014/

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      2. Avatar von christianneffe

        Interessant zu lesen. Wie gesagt, die Ansätze sehe ich ja auch, aber er konnte mich dann doch nicht überzeugen und blieb mir zu oberflächlich. Aber ich fand ja auch schon „Hotel“ ziemlich schrecklich (und das nicht positiven Horror-Sinne…)

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      3. Avatar von filmlichter

        Ich hoffe Du hast Hotel nicht „meinetwegen“ gesehen. Auch wenn Deine Meinung natürlich vollkommen falsch ist. 😉

        Ich muss „Ich seh…“ mal wieder sehen (höhö). Hatte ich eh vor, bevor The Lodge kommt. Vielleicht habe ich auch völlig falsch gelegen…

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      4. Avatar von christianneffe

        Ne ne, ich glaube, der war damals bei MUBI im Programm gelandet, als ich da noch registriert war… Ist zwar schon ewig her, aber ich erinnere mich an ihn als sehr gute Einschlafhilfe, ähnlich der Filme von Terrence Malick

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      5. Avatar von filmlichter

        Zumindest bei den späteren Malicks bin ich bei Dir…

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